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Ist Google wirklich böse?

Ein SPIEGEL-Artikel vom 18. Juni, “Ein Tag ohne Google”, hat mich gemeinsam mit der Lektüre des Artikels “Politische Psychologie: Thomas Kliche weiter befragt” von Hanno’s Blog motiviert, doch einmal folgende Frage zu erörtern: “Ist Google wirklich böse?”

Google, obwohl zu Zeiten seines Aufstiegs wegen der guten und schnellen Suchmaschine bejubelt, verliert immer mehr an Ruf und Vertrauen. Schuld daran ist das, was Google überhaupt erst zu einer Suchmaschine macht: Das Sammeln, Aufbereiten und Wiederfinden jeglicher Daten, die sich im Internet anhäufen.

Aber noch einmal zum Kerngeschäft: Sammeln, Aufbereiten und Wiederfinden jeglicher Daten, die sich im Internet anhäufen.

Google wird so gern beschuldigt, unsere geheimsten und persönlichsten Daten preiszugeben und es jedem dahergelaufenen Kriminellen zu ermöglichen, unser Leben auszuspähen. Dabei zeigt uns Google eigentlich nur eins: Welche Daten wir selbst in die öffentlichen Weiten des Internet bugsiert haben und was theoretisch jeder Andere über uns wissen könnte.

Dass man nur mit Kenntnis eines Namens herausfinden kann, wer derjenige ist, wo er wohnt und wie er ist, wird durch Google mit Sicherheit begünstigt, jedoch keineswegs grundlegend ermöglicht. Die Informationen selbst kamen von anderen Stellen, die völlig unabhängig vom Suchmaschinenbetreiber existieren: Die Betroffenen selbst, die private Homepages betreiben, Institutionen, die Lebensläufe ihrer Angestellten veröffentlichen und schließlich auch Regelungen wie das Telemediengesetz, die von uns verlangen, Namen und Anschrift im Impressum zu hinterlassen.

Thomas Kliche hat im E-Mail-Interview folgendes geschrieben:

Die Einführung von neuen Überwachungspraktiken hat aber auch einen einfachen Nebeneffekt: Man gewöhnt sich dran. Man findet dann selbst Rechtfertigungen, warum es gar nicht anders geht, weil man ja selbst mitmacht.

Und auf die Frage hin, warum selbst Experten freiwillige Teilnehmer an solcher Informationsverbreitung wären:

Zeigt das nicht: Selbst kritischere Betrachter haben sich an Datensammlungen gewöhnt? Gerade die kulturell kompetenten Personen haben ja auch – wie Ihre Beispiele belegen – viel Nutzen von der Menge an leicht zugänglichen Unterlagen und Fakten.

Letztendlich hilft uns Google nur, die Informationen, mit deren Preisgabe wir ja doch gewisse Zwecke verfolgen, einfacher aufzufinden. Mit einem großen Vorteil: Google zeigt uns schnell und bequem, wie viel wir von uns selbst preisgegeben haben. Verfügbar haben wir sie selbst gemacht und es stört uns immer weniger, immer mehr Informationen herauszurücken.

“Wenn ich es nicht tu, macht es ein anderer” ist ein Satz, der häufig zitiert wird, um seine Handlungen zu rechtfertigen. Ich halte diesen Satz für überaus fragwürdig, jedoch trifft er in diesem Fall zu. Das Interesse an Informationen ist da, deswegen wird auch jemand danach suchen; in diesem Fall ist das Google. Das ganze WorldWideWeb ist schließlich zum Austausch von Informationen geschaffen worden.

Natürlich ist Google auch ein Unternehmen, das weiterwachsen, Geld verdienen, Konkurrenten verdrängen und die Aktionäre glücklich machen, die, wenn die Unternehmensführung von ihren geldgierigen Zielen abkommt, diese wohl skrupellos durch eine mit weniger Idealismus und Gewissen ersetzen würde. Deswegen wird der Nutzer dazu ermutigt, seine Kalender, Adressbuch, E-Mails und Dokumente ebenfalls bei Google abzulegen, auf dass sie durchsucht werden können. Jedoch habe ich bei noch keiner Google-Suche E-Mails, Kalenderdaten oder Kontaktinformationen anderer Personen gefunden. Ich halte Google nicht für schlimmer als jedes andere Unternehmen, das versucht, Geld zu verdienen und am Markt zu bestehen.

Trotzdem werden vermehrt Stimmen laut, die eine Abkehr vom Suchmaschinenbetreiber fordern. Folgendes Gedankenexperiment: Angenommen, es gäbe Google nicht mehr. Was würde sich ändern?

Zuerst einmal wären wir eines sehr mächtigen Werkzeuges beraubt, das es uns erlaubt, anhand weniger Stichwörter relevante Informationen zu finden. Man mag argumentieren, dass es andere Suchmaschinenbetreiber gibt. Diese würden jedoch, wenn sie Ersatz für Google sind, ebenso wachsen und eines Tages abgeschafft werden.

Für die Informationen im Internet bedeutet das gar nichts. Wie oben schon angedeutet, ist es nicht Google, der die Informationen produziert. Es sind die Internetnutzer. Und die würden mit der Suchmaschine nicht verschwinden. Zwar wäre das Auffinden erschwert, im Sinne des Internets wird es aber prinzipiell immer möglich sein, dieselben Informationen zu erhalten. Wer gefunden werden möchte, verlinkt sich und wer seine Seite geheim halten möchte, kann dies auch heute schon tun. Ohne Link wird auch Google diese Seite nicht finden.

Kommen wir also zu dem Schluss, dass Google die Informationsflut weder verursacht noch fördert, sondern wir es selbst sind, die die Informationen in den öffentlichen Raum werfen. Alles, was Google tut, ist uns beim Suchen und Finden zu unterstützen – und uns einen Spiegel vorzuhalten, der zeigt, wie viel wir letztendlich preisgegeben haben. Darüber mag man verärgert sein, aber nur mit sich selbst. Die Einschränkung von Google beseitigt nur da Symptom, nicht aber die Ursache.

Zweigleisig Verfahren

Am Sonntag erschien im SPIEGEL online ein Artikel, der mich mal wieder in besonderem Maß zum Nachdenken angeregt hat: “Schön der Reihe nach statt Multitasking”.

Der Inhalt lässt sich kurz zusammenfassen: Das menschliche Gehirn kann sich nur auf eine Aufgabe bewusst und voll konzentrieren. Ist Aufmerksamkeit an mehreren Stellen notwendig, wird die Konzentration geteilt und Fehler treten auf. Wer effizient Arbeiten möchte, sollte zwei Aufgaben nacheinander erledigen und zwischen den Aufgaben eine kurze Pause machen. Wer dies nicht einhält, hat langfristig mit Schwierigkeiten zu rechnen, weil das Gehirn verlernt, kontextbezogene Informationen zu speichern – wie auch, ohne Kontext.

Gerade die jüngeren Generationen, die mit dem PC aufgewachsen und in das “Kommunikationszeitalter” hineingewachsen sind und sich nun in der Lage sehen, durch Flatrates ständig per ICQ, IRC und E-Mail zu kommunizieren, sind von diesem Problem betroffen. Nur allzu oft wird die Arbeit unterbrochen, wenn in der unteren rechten Ecke ein stilisierter Brief blinkt oder eine E-Mail auftaucht. Selbst wenn man sich vornimmt, eine Arbeit nicht zu unterbrechen, dies allen mitteilt (ICQ-Status Do-Not-Disturb) und eigentlich auf nichts geachtet wird – spätestens die Neugierde treibt uns dazu, doch in die Mailbox zu schauen, die E-Mail doch zu öffnen, doch darüber nachzudenken und doch noch zu antworten. Desgleichen ICQ: Zwar hat die Frage gerade gar nichts mit dem Thema zu tun, aber beantworten kann man sie doch eben schnell. Und da ICQ gar nichts kostet und in Griffweite ist, kann man auch schnell einen interessanten Gedanken herausschicken. Den der Empfänger – siehe Neugierde weiter oben – auch sofort liest und beantwortet.

Wie ruhig und arbeitsam waren doch die Zeiten, als man Briefe noch mit der Post verschickt hat: Man ist einmal am Tag zum Briefkasten gegangen, um die Post abzuholen und wurde forthin nicht mehr unterbrochen. Selbst das Telefon – eine der unhöflichsten Arten, einen Dialog einzuleiten – hat uns nicht so sehr von der Arbeit abgehalten wie die modernen Medien E-Mail und ICQ. Stundenlang telefoniert hat nur, wer gerade nichts anderes zu tun hatte, Briefe wurden nur geschrieben, wenn es wichtig war oder wenn sich genug erzählenswertes gefunden hatte. Wer heute am PC nebenbei mehrere ICQ-Fenster geöffnet hat, bekommt meist gar nicht mit, wie viel Zeit er damit verbringt – und wie wenig er dadurch schafft.

Ich bin Optimist, kein Jammern ohne Gedanken an eine Lösung!

Das Problem ist offensichtlich, dass unsere “moderne Kommunikation”, wie ich ICQ und E-Mail einmal zusammenfassen möchte, so sehr in unsere Arbeitsumgebung integriert sind, dass wir sie nicht mehr ausblenden können, andererseits jedoch so viel Aufmerksamkeit erfordern, dass sie uns von der Arbeit abhalten.

Eine Lösung kann sein, die Kommunikation komplett vom Arbeitsmittel PC zu trennen. Das bringt zwei Vorteile: Erstens kann man dieses Gerät dann beiseite legen oder ausschalten, so dass es einfacher wird, es während der Arbeit zu ignorieren. Zweitens muss der PC für die Kommunikation nicht eingeschaltet sein. Da ein Desktop-PC wesentlich mehr Energie verbraucht, als ein spezialisieres Geraet, das vielleicht auch noch auf den Akku-Betrieb ausgelegt ist (aka Handy), tun wir damit auch noch etwas für die Umwelt.

Ein weiterer Ansatz ist eine kontextbezogene Aufteilung der Kommunikation. Anstatt jede E-Mail und jede ICQ-Nachricht ungefiltert zu erhalten, werden nur jene Nachrichten zugestellt, die sich auf die aktuelle Arbeit beziehen. Damit wird auch ermöglicht, die Kommunikationsmittel weiterhin zu nutzen, obwohl sie eigentlich aus der aktuellen Arbeit ausgeblendet werden. In unserer werkzeug-orientierten Arbeitswelt erledigen wir das derzeit über mehrere Accounts: Es werden verschiedene E-Mail-Adressen verteilt und ein weiterer ICQ-Account angelegt. Optimal ist das nicht, denn man muss nun mehrere Accounts verwalten und ist letzendlich auch auf wenige Rollen beschränkt. Wenn sich der Kontextbezug durchsetzt, erhöhen sich die Chancen, dass der Kommunikationspartner ebenfalls einen Kontext setzt und ohne weiteres Zutun die Nachrichten entsprechend getaggt sind und gefiltert werden können.

Diese beiden technischen Ansätze lösen natürlich nicht das soziale Problem: Wir müssen lernen, mit den neuen Medien umzugehen, auf der Arbeit nicht über privates zu plaudern, selbst wenn die Person, der wir unbedingt etwas erzählen wollen, gerade im ICQ ist, und die Statusinformationen (eine Errungenschaft der Instant Messenging Tools gegenüber der Telefonie, die sich seltsamerweise noch nicht auf das Handy ausgebreitet hat) sowohl setzen als auch beobachten. Wir müssen uns verstärkt darüber im Klaren werden, was die neuen Kommunikationsmittel für uns selbst und unsere Umwelt bedeuten.

Nachtrag: Auch wenn ich mich auf E-Mail und ICQ beschränke, sind hierbei ebenfalls jede andere Online-Kommunikation sowie Telefonie, insbesondere Mobiltelefonie und SMS gemeint. Unser Neugierde und die Angst, etwas zu verpassen, machen Erreichbarkeit zu unserer Hauptbeschäftigung.

Werkzeuge für den modernen Politiker

Eigentlich wollte ich die Links auf ein Video der ARD-Kinderreporter, die in den letzten Tagen durch meinen RSS-Reader tröpfelten, ignorieren. Aber nachdem Fontblog, law blog und jetzt auch noch Spiegel Online darüber berichtet haben, hab ich mich doch mal zum Ursprungsbeitrag (?) im Blog netzpolitik.org durchgeklickt. (Video gibt’s auch direkt bei Sevenload.)

Da fällt mir doch vor Schreck der Löffel in den Tee. Wer weiß, was der Schäuble geantwortet hätte?! Aber das dürfte von ähnlichem Kaliber sein. Eigentlich dürfte ich diesen Beitrag hier gar nicht schreiben können, so sprachlos wie ich bin.