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Probleme in OpenSource-Gemeinschaften

Ich lese zur Zeit das Buch »Producing Open Source Software« von Karl Fogel. Er beschreibt aus Insidersicht was für Probleme in OpenSource-Projekten so auftreten und wie man diese von vornherein vermeiden oder später lösen könnte. Ich finde dieses Buch sehr interessant in Bezug auf die Projekte, wo ich persönlich beteiligt bin oder die ich intensiv verfolge (eisfair, IMPULS, climm). Viele Probleme sind da weniger technischer denn sozialer Natur und es gibt interessante Parallelen zwischen all diesen Projekten und den im Buch als Beispiel herangezogenen. Vom Glanz so erfolgreicher Projekte wie Subversion lässt man sich da nur allzu leicht blenden. Es ist vielmehr so, dass die allermeisten Projekte besser laufen könnten. Das ist mir am Wochenende beim Release von Eisfair 1.5.0 aufgefallen und gerade heute noch an anderer Stelle deutlich geworden, als Oliver von F!XMBR über seinen persönlichen Frust mit FreeBSD berichtet hat.

Ich will in Bezug auf Eisfair an dieser Stelle nicht ins Detail gehen, aber ich werde das für die Vorschläge, die ich diese Woche im Eisfair-Team machen will, berücksichtigen…

SMTP-DSN: Warum einfach …

… wenn es auch kompliziert geht.

Hintergrund ist folgender: Ich habe für eine Plattform ein Mailinglisten-System implementiert. Das war notwendig, weil es dort sehr spezielle Regeln zur Generierung der Empfänger gibt, die jedes Mal dynamisch angewendet werden müssen. Bestandteil dieses System ist natürlich auch die Erzeugung von Bounces, um Fehler und Ausnahmezustände mitzuteilen.

Dabei ist mir etwas aufgefallen: Es gibt drei nette RFCs, die sich mit dem Format dieser Delivery Status Notifications (DSN oder kurz Bounce) beschäftigen:

Diese Konventionen regeln, wie eine Bounce-Message aufgebaut ist, wie die Informationen abgelegt werden, welche Fehlercodes es gibt und so fort.

Und nun kommt unser kompliziertes Leben: Kein Mail User Agent, den ich kenne, wertet die Bounces anhand dieser RFCs aus! Statt dessen bekommt der – mittlerweile oft laienhafte – E-Mail-Nutzer eine kryptische Fehlermeldung zu sehen, die häufig so interpretiert wird, dass die Adresse nicht existiert. Das ist ein beliebter Grund für Bounces, aber oft auch falsch.

Liebe MUA-Programmierer: Warum gibt es keine Ansicht fuer Bounces, in der die Informationen aufgeschlüsselt sind und auch den Nutzern, die E-Mails nicht per telnet lesen können, verständlich gemacht werden? Das würde einen weißen (nein, eigentlich schwarzen) Fleck auf der Landkarte der E-Mail-Kommunikation beseitigen.

PIM-Synchronisation: Es könnte so einfach sein…

Für ein Projekt, über das ich später umfangreicher berichten werde, habe ich die Standards für das Speichern und Austauschen von Kalender- und Adressbuchinformationen recherchiert.

Dabei habe ich ohne viel Mühe Standards für folgende Aufgabenstellungen gefunden:

  • Ablegen beliebiger Objekte in zentralen Speichern, z.B. IMAP und LDAP
  • Darstellen von Visitenkarten (vCard)
  • Darstellen von Kalendereinträgen, TODOs, Journals und Austausch von Verfügbarkeitsinformationen (iCalendar)
  • Austausch von Kalenderinformationen (iTIP, iMIP)

Außerdem ein RFC, das sich mit dem Zusammenspiel dieser Protokolle beschäftigt.

Meine Fragen:

  • Warum ist es trotzdem nicht möglich, die PIM-Daten auf Handy, PDA und PC miteinander abzugleichen, einfach mal einen Termin zu verschicken oder die Aushandlung eines Termins meiner Kalenderapplikation zu überlassen?
  • Warum gibt es proprietäre Formate zum Austausch dieser Informationen?
  • Ist die Welt nicht schon kompliziert genug?

Wer Antworten hat, ist herzlich eingeladen, einen Kommentar abzugeben.

Zweigleisig Verfahren

Am Sonntag erschien im SPIEGEL online ein Artikel, der mich mal wieder in besonderem Maß zum Nachdenken angeregt hat: “Schön der Reihe nach statt Multitasking”.

Der Inhalt lässt sich kurz zusammenfassen: Das menschliche Gehirn kann sich nur auf eine Aufgabe bewusst und voll konzentrieren. Ist Aufmerksamkeit an mehreren Stellen notwendig, wird die Konzentration geteilt und Fehler treten auf. Wer effizient Arbeiten möchte, sollte zwei Aufgaben nacheinander erledigen und zwischen den Aufgaben eine kurze Pause machen. Wer dies nicht einhält, hat langfristig mit Schwierigkeiten zu rechnen, weil das Gehirn verlernt, kontextbezogene Informationen zu speichern – wie auch, ohne Kontext.

Gerade die jüngeren Generationen, die mit dem PC aufgewachsen und in das “Kommunikationszeitalter” hineingewachsen sind und sich nun in der Lage sehen, durch Flatrates ständig per ICQ, IRC und E-Mail zu kommunizieren, sind von diesem Problem betroffen. Nur allzu oft wird die Arbeit unterbrochen, wenn in der unteren rechten Ecke ein stilisierter Brief blinkt oder eine E-Mail auftaucht. Selbst wenn man sich vornimmt, eine Arbeit nicht zu unterbrechen, dies allen mitteilt (ICQ-Status Do-Not-Disturb) und eigentlich auf nichts geachtet wird – spätestens die Neugierde treibt uns dazu, doch in die Mailbox zu schauen, die E-Mail doch zu öffnen, doch darüber nachzudenken und doch noch zu antworten. Desgleichen ICQ: Zwar hat die Frage gerade gar nichts mit dem Thema zu tun, aber beantworten kann man sie doch eben schnell. Und da ICQ gar nichts kostet und in Griffweite ist, kann man auch schnell einen interessanten Gedanken herausschicken. Den der Empfänger – siehe Neugierde weiter oben – auch sofort liest und beantwortet.

Wie ruhig und arbeitsam waren doch die Zeiten, als man Briefe noch mit der Post verschickt hat: Man ist einmal am Tag zum Briefkasten gegangen, um die Post abzuholen und wurde forthin nicht mehr unterbrochen. Selbst das Telefon – eine der unhöflichsten Arten, einen Dialog einzuleiten – hat uns nicht so sehr von der Arbeit abgehalten wie die modernen Medien E-Mail und ICQ. Stundenlang telefoniert hat nur, wer gerade nichts anderes zu tun hatte, Briefe wurden nur geschrieben, wenn es wichtig war oder wenn sich genug erzählenswertes gefunden hatte. Wer heute am PC nebenbei mehrere ICQ-Fenster geöffnet hat, bekommt meist gar nicht mit, wie viel Zeit er damit verbringt – und wie wenig er dadurch schafft.

Ich bin Optimist, kein Jammern ohne Gedanken an eine Lösung!

Das Problem ist offensichtlich, dass unsere “moderne Kommunikation”, wie ich ICQ und E-Mail einmal zusammenfassen möchte, so sehr in unsere Arbeitsumgebung integriert sind, dass wir sie nicht mehr ausblenden können, andererseits jedoch so viel Aufmerksamkeit erfordern, dass sie uns von der Arbeit abhalten.

Eine Lösung kann sein, die Kommunikation komplett vom Arbeitsmittel PC zu trennen. Das bringt zwei Vorteile: Erstens kann man dieses Gerät dann beiseite legen oder ausschalten, so dass es einfacher wird, es während der Arbeit zu ignorieren. Zweitens muss der PC für die Kommunikation nicht eingeschaltet sein. Da ein Desktop-PC wesentlich mehr Energie verbraucht, als ein spezialisieres Geraet, das vielleicht auch noch auf den Akku-Betrieb ausgelegt ist (aka Handy), tun wir damit auch noch etwas für die Umwelt.

Ein weiterer Ansatz ist eine kontextbezogene Aufteilung der Kommunikation. Anstatt jede E-Mail und jede ICQ-Nachricht ungefiltert zu erhalten, werden nur jene Nachrichten zugestellt, die sich auf die aktuelle Arbeit beziehen. Damit wird auch ermöglicht, die Kommunikationsmittel weiterhin zu nutzen, obwohl sie eigentlich aus der aktuellen Arbeit ausgeblendet werden. In unserer werkzeug-orientierten Arbeitswelt erledigen wir das derzeit über mehrere Accounts: Es werden verschiedene E-Mail-Adressen verteilt und ein weiterer ICQ-Account angelegt. Optimal ist das nicht, denn man muss nun mehrere Accounts verwalten und ist letzendlich auch auf wenige Rollen beschränkt. Wenn sich der Kontextbezug durchsetzt, erhöhen sich die Chancen, dass der Kommunikationspartner ebenfalls einen Kontext setzt und ohne weiteres Zutun die Nachrichten entsprechend getaggt sind und gefiltert werden können.

Diese beiden technischen Ansätze lösen natürlich nicht das soziale Problem: Wir müssen lernen, mit den neuen Medien umzugehen, auf der Arbeit nicht über privates zu plaudern, selbst wenn die Person, der wir unbedingt etwas erzählen wollen, gerade im ICQ ist, und die Statusinformationen (eine Errungenschaft der Instant Messenging Tools gegenüber der Telefonie, die sich seltsamerweise noch nicht auf das Handy ausgebreitet hat) sowohl setzen als auch beobachten. Wir müssen uns verstärkt darüber im Klaren werden, was die neuen Kommunikationsmittel für uns selbst und unsere Umwelt bedeuten.

Nachtrag: Auch wenn ich mich auf E-Mail und ICQ beschränke, sind hierbei ebenfalls jede andere Online-Kommunikation sowie Telefonie, insbesondere Mobiltelefonie und SMS gemeint. Unser Neugierde und die Angst, etwas zu verpassen, machen Erreichbarkeit zu unserer Hauptbeschäftigung.